Großes Interesse zeigten unsere Mitgliedsbetriebe beim Kamingespräch mit Johannes Hahn, vorm. EU-Kommissar. Diskutiert wurde über die neue Bundesregierung, europäische Entwicklungen und das Weltgeschehen – überwiegend hinsichtlich der neuen US-Regierung.
Österreichs ehemaliger EU-Kommissar Johannes Hahn analysierte die Notwendigkeit der EU, ein Budget für die Anforderungen des Defense-Bereiches zu etablieren. Dies ist nun mit Ausgaben von 800 Mrd. Euro beschlossen worden. Aktuell produziere der Rüstungssektor immer noch „on demand“. Dadurch ergaben sich zu Beginn des Ukraine-Konflikts große Lieferprobleme. Hahn meinte, dass es für einmalige Ereignisse immer auch einmalige Maßnahmen brauche: Ob dieser Grundsatz auch für den Rüstungsbereich gilt, muss nun beantwortet werden. Seine Überzeugung ist: die EU muss sich unbedingt besser koordinie-ren! Die USA hätten nur eine Handvoll unterschiedlicher Panzersysteme, die EU hingegen sogar 17 (!) verschiedene. Und für andere Wirtschaftssektoren empfiehlt er, einheitliche Registrierungen und Zulassungen zu schaffen.
Fronten zwischen Ost und West
Für die osteuropäischen Staaten, so Hahn weiter, wäre ein NATO-Beitritt bis dato immer wichtiger gewesen als ein Beitritt zur EU. Als Teil der ehemaligen Sowjetunion hätten Finn-land und die baltischen Staaten nämlich eine andere historische Wahrnehmung als Öster-reich, das mit Russland über einen Staatsvertrag verbunden ist. Vom Wiederaufbau der Ukraine sollten die österreichischen Unternehmen profitieren – also, nicht nur big payer, sondern auch big player sein.
Mit US-Präsident Trump müsse man Klartext reden und seine Ziele gesamthaft überbli-cken! Denn Trump hat die Führungsrolle der USA in der westlichen Welt aufgegeben. Er beschleunige damit aber nur Prozesse, die sowieso längst in Gang gebracht werden soll-ten, wie beispielsweise die Abhängigkeiten vom US-Schutzschild einerseits und der billigen Energie aus Russland andererseits. Es ist hoch an der Zeit, dass sich Europa auf die eige-nen Füße stellt.
Erste Maßnahmen der Dreier-Koalition
Positiv hervorgehoben wurde, dass sich im neuen Regierungsprogramm nunmehr keine starke Ablehnung des MERCOSUR-Abkommens findet. Johannes Hahn empfiehlt außer-dem, mit Südafrika, den Philippinen und den Vereinigten Arabischen Emiraten Gespräche aufzunehmen – die Erschließung von Märkten sollte jedoch reziprok erfolgen. Nach seiner Ansicht fehlen im neuen Regierungsprogramm allerdings noch viele Themen, wie z. B. eine umfassende Verwaltungs- und Verfassungsreform, eine Anpassung bei den Pensionen sowie Änderungen im Gesundheitsbereich.
Der EU-Kommissar (a.D.) betonte außerdem, dass unser neuer Bundeskanzler Christian Stocker in Brüssel mit offenen Armen empfangen wurde. Die Europäische Union sei wohl erleichtert, dass mit der neuen Dreier-Koalition von ÖVP, SPÖ und NEOS nun auch weiter-hin ein europafreundlicher Kurs gefahren wird