Gemeinsam gegen den Blackout

Das Risiko eines Blackouts muss ernst genommen werden. Die IV fordert, dem Themenbereich Energie, Versorgungssicherheit und Blackout-Prävention in allen energie- und umweltpolitischen Fragen mehr Beachtung zu schenken.  

Die Gefahr eines Blackouts in Europa ist alles andere als eine Verschwörungstheorie. Vor einem Jahr kam es zu einem „Beinahe-Blackout-Vorfall“ im europäischen Stromnetz. Auf den kaskadischen Ausfall mehrerer Netzelemente – Stromleitungen und Schaltanlagen – reagierten die europäischen Übertragungsnetzbetreiber glücklicherweise rasch und wirksam: Mittels Kraftwerksreserven und Speicher sowie der Abschaltung kontrahierter Großverbraucher konnte die Sollfrequenz nach ca. einer Stunde wieder hergestellt werden.

Notfallmaßnahmen werden zur Regel

„Wir hoffen sehr, dass es auch in Zukunft gelingen wird, trotz gestiegener Anforderungen an unser Stromsystem, einen Blackout abzuwenden. Auch für den Fall, dass es länger dauert, eine stabile Stromversorgung flächendeckend wieder herzustellen, sollten wir jedenfalls gerüstet sein“, fordert IV-Präsident Georg Knill. Tatsache ist: Auch in Österreich wird die Strom-Versorgungssicherheit mit immer aufwendigeren und kostenintensiveren Eingriffen des Übertragungsnetzbetreibers aufrechterhalten. Die an sich für den Notfall gedachten Eingriffe – sogenannte Redispatch-Maßnahmen – sind mittlerweile über das Jahr gesehen zur Regel geworden, berichten Experten.

Die Politik ist gefragt, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass unsere Industrie wettbewerbsfähig bleibt und damit weiterhin aktiv die Klimawende mitgestalten kann.

Hochkarätiger Austausch

Den Ernstfall verhindern und alle Kräfte bündeln, falls er doch eintritt. Die Industriellenvereinigung arbeitet im Interesse ihrer Mitglieder und des Standorts intensiv mit dem Verteidigungsministerium zusammen und veranstaltete kürzlich auch einen High Level Blackout-Roundtable mit Experten und Betrieben. Hochkarätige Vertreterinnen und Vertreter aus Verkehrsinfrastruktur, Telekommunikation, Finanzwirtschaft, Papier- und Zementindustrie oder der Elektro- und Elektrotechnikbranche zeigten dabei die unterschiedlichen Betroffenheiten, Herausforderungen und Maßnahmen rund um das Thema Blackout auf. „Blackouts gehören neben den Gefahren von Naturkatastrophen, Cyberangriffen, Terroranschlägen und Pandemien zu den sicherheitspolitischen Bedrohungsszenarien des 21. Jahrhunderts. Das Bundesheer wird daher als strategische Reserve der Republik Österreich auch hier wieder für Einsätze zur Bewältigung der Krise herangezogen werden. Denn das Bundesheer ist durch seinen Grundauftrag darauf ausgerichtet, auch dann noch zu funktionieren, wenn sonst nichts mehr funktioniert“, so Verteidigungsministerin Klaudia Tanner.

Es reicht nicht, sich ambitionierte Ziele zu setzen. Die Energiewende ist vor allem ein gewaltiges Infrastrukturprojekt.

Gemeinsam mit Einsatzorganisationen, Bezirkshauptmannschaften und Gemeinden führen die österreichischen Streitkräfte regelmäßig Übungen durch, um den Blackout-Ernstfall zu proben und neue Erkenntnisse in die strategische Vorbereitung einfließen zu lassen. Neben Energieversorgung wird in den Kasernen an autarker Wärme-, Wasser- und Nachschubversorgung gearbeitet. Notwendig ist zudem für den stv. Chef des Generalstabes, Generalmajor Rudolf Striedinger, die zeitgerechte Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung: „Die Vorbereitung der Bevölkerung auf einem niederschwelligen Niveau ist nicht kostenintensiv.“ So empfiehlt er Bürgern etwa einen Bargeldvorrat, um im Handel auch zahlen zu können, wenn der elektronische Zahlungsverkehr ausfällt. Laut Sicherheitsexperte Herbert Saurugg sollte jeder Bürger auf 14 Tage Notbetrieb – und damit mit ausreichend Lebensmitteln etc. – vorbereitet sein. Dem stehen allerdings Umfragen gegenüber, wonach sich ein Drittel der Bevölkerung höchstens vier Tage und ein weiteres sieben Tage selbst versorgen kann.

Fokus auf Blackouts

Für die Industriellenvereinigung ist wichtig, dass dem Themenkomplex Energie-Versorgungssicherheit und Blackout-Prävention in sämtlichen energie- und umweltpolitischen Dossiers mehr Beachtung geschenkt wird. Dabei geht es keinesfalls um Panikmache. Vize-Generalsekretär Peter Koren: „Uns ist bewusst, dass Österreich im internationalen Vergleich eine hervorragende Strom-Versorgungssicherheit aufweist. Unser Stromsystem steht aber auch vor vielfältigen – nicht zu unterschätzenden – Herausforderungen: Naturkatastrophen, verstärkte Einspeisung von Strom aus wetterabhängigen Erzeugungsformen, Cyberangriffe, Dezentralisierung, technisches und menschliches Versagen.“ Gerade die Transformation der Industrie zur Klimaneutralität ist ohne sichere, ausreichende, erneuerbare Stromversorgung zu wettbewerbsfähigen Preisen nicht denkbar. „Die Industrie ist zudem auf eine stabile Stromfrequenz von 50Hz angewiesen. Schon geringe Netzschwankungen können in manchen Sektoren massive Schäden in der Produktion und in der Folge in den Lieferketten auslösen“, warnt Koren.

Ambitionierte Ziele sind zu wenig

Handlungsbedarf besteht nicht zuletzt beim Erneuerbaren Ausbau Gesetz (EAG), das Ende Jänner im Nationalrat verabschiedet wurde. Damit sollen bis 2030 hundert Prozent des Stroms (bilanziell, national) aus erneuerbaren Erzeugungsformen stammen. Das erfordert einen Zubau von rund 27 TWh. Davon entfallen über zwei Drittel auf volatile – vom Wetter abhängige – Stromerzeugung, wie Windkraft oder Photovoltaik. „Es reicht nicht, sich ambitionierte Ziele zu setzen, denn die Energiewende ist vor allem ein gewaltiges Infrastrukturprojekt: Nur mit ausreichend Erzeugungsanlagen, Speichern und vor allem bedarfsgerechtem Netzausbau können Erzeugung und Verbrauch auch künftig in Einklang gebracht werden“, betont Koren. Nicht zuletzt würden die Stromkunden Versäumnisse im Infrastrukturausbau bereits jetzt durch stetig steigende Netzkosten bezahlen müssen. In Zeiten von ohnedies bereits explodierenden Energiepreisen eine verheerende Entwicklung, besonders für die energieintensive Industrie. Die Industriellenvereinigung drängt auf eine Beschleunigung der mitunter massiv ausufernden Genehmigungsverfahren für Energieinfrastrukturprojekte, „denn genau da sitzt jener Flaschenhals, der uns über Jahre und Jahrzehnte zur Untätigkeit verurteilt hat und damit ein Blackout-Ereignis begünstigt“.

Blackouts gehören neben den Gefahren von Naturkatastrophen, Cyberangriffen, Terroranschlägen und Pandemien zu den sicherheitspolitischen Bedrohungsszenarien des 21. Jahrhunderts.

Resilienz und Handlungsfähigkeit sichern

Um die Resilienz zu steigern und die Auswirkungen eines Blackout-Szenarios gering zu halten, ist eine möglichst breite Abstimmung und Sensibilisierung für das Thema erforderlich. „Die Politik ist gefragt, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass unsere Industrie wettbewerbsfähig bleibt und damit weiterhin aktiv die Klimawende mitgestalten kann“, fordert IV-Präsident Knill. Klar ist jedenfalls: Bestmögliche Prävention muss freilich auch mit bestmöglicher Vorbereitung für den nicht auszuschließenden Ernstfall einhergehen. Nur so kann sichergestellt werden, dass Österreich und seine Industrie wieder rasch handlungsfähig sind

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