Industry-Talk mit KTM-Chef Pierer: „Es muss sich wieder lohnen, reinzuhauen“

Wenn die Junge Industrie (JI) zum „Industry Talk“ lädt, will sie von den Besten lernen. JI-Salzburg-Vorsitzender Clemens Usner war kürzlich dem KTM-Vorstandsvorsitzenden Stefan Pierer auf der Rolltreppe des Congress Centers begegnet. Und hatte nach der gemeinsamen Fahrt vom einen ins andere Stockwerk die Zusage für den gemeinsamen Abend in der Tasche.

Eines vorweg: Er hat schon ein gewichtiges Auftreten. Ob dies an Pierers Rang Nummer acht im Forbes-Ranking der reichsten Österreicher liegt, sei dahingestellt. Sicher ist: Der Mann bringt einen Rucksack an Erfahrungen mit, den er auch gerne auspackt. Ein spannender Abend sollte es werden, am Montag, den 25. Februar. Ein Talk über einen Werdegang, der vom Studium an der Montanuniversität Leoben bis hin zum Vorstandsvorsitz des größten europäischen Motorradherstellers reicht. Dazwischen liegt der inspirierende Weg eines Visionärs, der im Vertrieb eines mittelständischen Unternehmens seine Karriere begann und gelernt hat, Märkte zu erobern. Ein ambitionierter Unternehmergeist, der sich kein Blatt vor den Mund nimmt, wenn es um die politischen Weichenstellungen in Österreich geht. „Wir sind die Vertreter der Wohlstandsversicherung. Die Politik ist dafür da, Rahmenbedingungen zu schaffen“, so der KTM-Boss.

Voneinander lernen
Doch zurück an den Start: 1987 gründete Stefan Pierer die Beteiligungsgesellschaft Cross Industries. Später ging daraus die KTM Industries-Beteiligungsgruppe hervor. Anfang der 1990er-Jahre kaufte der Unternehmer Teile der insolventen KTM Motor-Fahrzeugbau. Aus der KTM-Sportmotorcycles GmbH wurde im Jahr 2005 die KTM AG. Mit ihren weltweit bekannten Marken KTM, Husqvarna Motorcycles und WP zählt die KTM Industries AG in ihren Segmenten jeweils zu den Technologie- und Marktführern. Innerhalb der Gruppe pflegt das Unternehmen einen hohen Grad an technologischer Vernetzung – in dieser Form einzigartig in Europa. Strategische Partnerschaften auf operativer Ebene stärken die Wettbewerbsfähigkeit in relevanten Märkten. Denn das Wachstum komme aus den Emerging Markets, so Pierer. Kein Zufall, dass er seit mittlerweile elf Jahren mit einem indischen Partner aus einer hoch angesehenen Industriedynastie kooperiert. „Unterschiedliche Gesprächspartner bringen neue Betrachtungsweisen und Ideen“, kommentiert Stefan Pierer seine Netzwerke. Und diese seien wesentlich für den Erfolg der Nischenindustrie. Die Stückzahl sei um eine Zehnerpotenz geringer als beim Auto, technologisch aber höchst ausgefeilt.

Forschungsstarkes Unternehmen
Ein Grund mehr, um auf Forschung und Entwicklung zu setzen. Acht Prozent des Umsatzes gehen bei KTM Industries in F&E, in absoluten Zahlen sind dies bis zu 120 Millionen Euro pro Jahr. Damit belegt das oberösterreichische Unternehmen mit Sitz in Wels und vorwiegender Produktion in Mattighofen Platz drei der forschungsintensivsten Unternehmen in Österreich. Diese Faktoren sind die Grundlage für die hohe Innovationsstärke der KTM Industries-Gruppe. Als jahrzehntelangen treuen Begleiter seines Hauses nennt Pierer Red Bull. Die Unternehmen hätten eben das passende Cross Over. Ebenso die Partnerschaft mit dem Industriedesign-Spezialisten KISKA in Anif, die rund 18 Millionen Umsatz bringe und KTM seit 27 Jahren erfolgreich begleite. Die Benchmark für KTM bleibe Japan, und zwar im Hinblick auf Qualität, Produkt und Globalisierung. A propos Internationalität: Seit 1996 ist die KTM Industries AG an der Börse, vor drei Jahren sattelte Pierer von der Wiener an die Schweizer Börse um. Was den globalen digitalen Weg anlangt, setzt der Unternehmer auf die Kompetenz seines Sohnes Alex, der die Innovationsgeschäfte im Konzern leitet: „Mein Sohn versteht, was da abgeht. Die wenigsten in meiner Generation begreifen die volle Komplexität dahinter“. Wenn er KTM als „letzte Insel des selbstständigen Fahrens“ bezeichnet, schwingt ein Quäntchen Stolz mit. Denn ein autonom fahrendes Motorrad, das sei für Pierer keine Option: „Da geh ich lieber in die Rollator-Fertigung“, sagt er lachend.

Durchschnitt zu lange mit Spitzenfeld verwechselt
Was er den jungen Unternehmern raten kann, will JI-Vorstand Usner von Pierer schließlich wissen. „Freie Entscheidung und Selbstbestimmung“, so die Antwort. Leistung sei die Grundlage unseres Wohlstandes und lohne sich; Österreich brauche mehr Unternehmergeist anstelle eines Staates als Bedenkenträger und Verhinderer. „Das Erreichen des Durchschnitts haben wir zu lange mit Spitzenfeld verwechselt“, sagt Pierer rückblickend. Den Kurs der aktuellen Bundesregierung begrüßt er nicht nur, er hat ihr einen Anschub gegeben. Mit einer Finanzierung, die er als Rückendeckung für einen Kanzler verstand, auf dessen Kurs er setzt. Groß war der Wirbel, nachdem er den stolzen Betrag einer Crowdfunding-Initiative verdoppelt hatte. „Im Unternehmen tut man sich eben leichter als in der Politik, Dinge umzusetzen“, so die Devise des KTM-Chefs. Dringendsten Handlungsbedarf sieht er wiederum nicht in der viel diskutierten Absenkung der Körperschaftssteuer auf 17,5 Prozent, sondern in der Absenkung der Besteuerung von Arbeit: „Unsere jungen und ambitionierten Leute brauchen mehr Netto vom Brutto. Es muss sich wieder lohnen, reinzuhauen“.